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MedienmitteilungVeröffentlicht am 9. Dezember 2025

Laser zeichnet magnetische Landschaften nach Mass

Villigen, 09.12.2025 — Forschenden am Paul Scherrer Institut PSI ist es in Zusammenarbeit mit dem National Institute of Standards and Technology (NIST) in Boulder, Colorado, erstmals gelungen, mit bestehender Lasertechnik die magnetischen Eigenschaften von Materialien in zwei Dimensionen kontinuierlich zu variieren. Das einfache und schnelle Verfahren soll eine Vielzahl von Anwendungen ermöglichen, darunter neue Techniken zur Speicherung und Verarbeitung von Daten.

Manchmal lässt sich Erstaunliches erreichen, wenn man herkömmliche Werkzeuge auf eine neue Art und Weise einsetzt. So ging es auch Forschenden, als sie die Hightech-Laserapparatur im Reinraum des PSI für etwas einsetzten, für das sie gar nicht vorgesehen war. Sie wurde ursprünglich nämlich für die Fotolithografie angeschafft – ein Verfahren, um winzige 2D-Strukturen zu produzieren. Normalerweise bestrahlt der Laser dabei einen Fotolack mit unterschiedlicher Lichtintensität und erzeugt so verschiedene Belichtungsstufen, auch Graustufen genannt. Die Graustufen-Lithografie bildet ein dreidimensionales Relief, welches nun auf das gewünschte Material übertragen werden kann. Ein wichtiges Anwendungsgebiet dieser Technik ist die moderne Mikrooptik, denn so lassen sich beispielsweise Linsen für Smartphones fabrizieren.

«Wir verwenden dieses Werkzeug für etwas anderes als seinen ursprünglichen Zweck», erklärt Aleš Hrabec: «Wir erzeugen damit zweidimensionale, kontinuierliche Veränderungen der magnetischen Eigenschaften in Materialien, die für eine Vielfalt von Anwendungen wichtig sind.» Hrabec ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Mesoskopische Systeme, die von Laura Heyderman geleitet wird und zum PSI und der ETH Zürich gehört. Als mesoskopisch bezeichnen die Forschenden Systeme in der Längenskala von wenigen Mikrometern. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von etwa 100 Mikrometern, ist also ein Vielfaches grösser.

Verrückte Idee, die funktioniert

Will man die Eigenschaften eines magnetischen Materials verändern, kann man es beispielsweise in einem Ofen erhitzen. Damit verändert sich aber die gesamte Probe. Auf der Suche nach einer Methode für lokal begrenzte Veränderungen kamen die PSI-Forschenden auf die Idee, einen dünnen Film eines magnetischen Materials ohne Fotolack in das vorhandene Lithografie-Gerät zu stecken. «Das war eine verrückte Idee, deshalb war ich sehr überrascht, dass es auf Anhieb funktionierte», erzählt Lauren Riddiford, Postdoc in der Gruppe Mesoskopische Systeme: «Als wir uns den magnetischen Kontrast unter einem speziellen Mikroskop anschauten, konnten wir sofort die kontinuierlichen Veränderungen der magnetischen Eigenschaften sehen.»

Dabei fungiert der Laser im Prinzip wie ein Ofen, allerdings verändert seine Wirkung die magnetischen Eigenschaften punktgenau. Mit dem Laser rastert man die Oberfläche der Materialprobe ab und moduliert dabei die Lichtintensität nach Wunsch. So werden sehr kleine Bereiche, die nur 150 Nanometer gross sind, erhitzt. Das Verfahren heisst «Direct-Write Laser Annealing», kurz DWLA, übersetzt etwa: direktschreibendes Laserglühen. Durch das gezielte Erhitzen kann sich ein Material lokal verändern – es oxidiert, kristallisiert oder es lassen sich zwei Metalle miteinander legieren. Dadurch kann man die Stärke oder die Richtungsabhängigkeit der Magnetisierung ändern sowie die Wechselwirkung an der Grenzschicht zwischen zwei Materialien beeinflussen.

Das lokale, graduelle Vorgehen kann auf einzigartige Weise sogenannte Gradienten der magnetischen Eigenschaften erzeugen, die je nach Wunsch beliebige Formen annehmen. Bisher konnte man nur seitliche, eindimensionale Gradienten solcher Materialeigenschaften fabrizieren. Nun sind Kreise, Spiralen oder noch komplexere Gebilde möglich, wie Riddiford anhand eines Videos demonstriert, das die Entstehung einer magnetischen Struktur in Form einer Schneeflocke zeigt. «Wenn wir ein Feld an die bearbeitete Probe anlegen, wechselt zuerst die Magnetisierung im Zentrum ihre Richtung von aufwärts nach abwärts. Wird das Feld stärker, breitet sich dieses Umschalten radial aus», erklärt die Forscherin. In den Bereichen um die Schneeflocke herum wurde das Material mit dem Laser genügend stark erhitzt, um sicherzustellen, dass es nicht mehr magnetisch ist.

Schneller, effizienter und sicherer

Ziel der Forschenden sind aber nicht bloss hübsche Bilder, sondern konkrete Anwendungen zum Beispiel in der Datenspeichertechnologie. Kleine Magnete werden schon lange benutzt, um Daten auf Computerfestplatten zu sichern. Je nachdem, in welche Richtung der Pol eines Magneten zeigt, entspricht dies einer Eins oder einer Null, also dem Wert eines Bits. Über der rotierenden Festplatte befindet sich eine Spule, welche die Information mithilfe eines magnetischen Feldes liest und schreibt. «Mit unserer Technik wollen wir herausfinden, welche magnetischen Materialien und Eigenschaften sich am besten für die Herstellung von Speichern eignen, die keine beweglichen Teile mehr haben und nicht den Einsatz von Magnetfeldern erfordern», sagt Jeffrey Brock, ebenfalls Postdoc in der Gruppe Mesoskopische Systeme.

Durch die kontinuierlichen Änderungen der magnetischen Eigenschaften im Speichermedium braucht es kein Magnetfeld, um die Magnetisierung der Bits zu verändern. Man kann einen elektrischen Strom verwenden, um die Information zu schreiben und zu lesen. Solche Speicherelemente gibt es zwar bereits. «Wir glauben aber, dass unser Ansatz zur lokalen Veränderung von Materialeigenschaften viel einfacher und schneller ist als die derzeit verwendeten Technologien zur Erzeugung solcher Muster», sagt Brock. Datenspeicher, die mit Strom geschaltet werden, sind schneller und man kann mehr Daten auf kleinerem Raum unterbringen. Die Forschenden wollen dies auch auf eine spezielle Materialklasse anwenden, die sogenannten synthetischen Antiferromagnete. Damit wäre die Speicherung der Daten dauerhafter und sicherer, da dieses Material immun ist gegen ein äusseres Magnetfeld.

Rechnen und Speichern auf demselben Chip

Eine weitere mögliche Anwendung ist das sogenannte In-Memory-Computing – die Verarbeitung sowie auch die Speicherung der Daten findet dabei auf ein und demselben Chip statt. In heutigen elektronischen Geräten werden Daten ständig zwischen dem schnellen Prozessor und der viel langsameren Speichereinheit hin und her transportiert, was viel Zeit und Energie kostet. Die Verwendung eines einzigen Chips würde den Datenzugriff extrem beschleunigen.

Bereits vor vier Jahren gelang es einer Forschungskollaboration vom PSI und der ETH Zürich erstmals, logische Operationen in einem magnetischen Material durchzuführen, in dem die Daten gleichzeitig auch gespeichert werden können – eine Erfindung, die auch patentiert wurde. Doch das bisher verwendete Material eignet sich nicht für die heute gängigen Fabrikationsprozesse in der Chip-Industrie. «Wir hoffen, dass wir mit der Lasertechnik ein magnetisches Material herstellen können, das kompatibel ist mit diesen Standardprozessen», sagt Hrabec.

Ein anderes neues Forschungsfeld ist das sogenannte neuromorphe Rechnen – eine Art der Datenverarbeitung, bei der man sich vom Gehirn und dem Netzwerk der Nervenzellen, also den Neuronen, inspirieren lässt. Dabei sollen beispielsweise winzige Magnete in verschiedenen Konfigurationen miteinander interagieren wie die Neuronen in ihrem Netzwerk. «Das Gehirn besteht ja auch nicht aus einem einfachen Material», sagt Hrabec: «Deshalb kann man für diesen Zweck nicht etwa bloss eine dünne Schicht eines einzelnen, magnetischen Materials wie beispielsweise Kobalt einsetzen, sondern man braucht etwas Komplexeres.» Eine ideale Aufgabe für die neue Lasertechnik, mit der sich beliebige magnetische Landschaften erzeugen lassen.

Hrabec ist überzeugt, dass die Arbeit des Forschungsteams noch viele andere Anwendungen erschliessen wird, zum Beispiel auf dem Gebiet der Sensorik oder der Photonik, bei der man Licht zur Übertragung von Information nutzt. Denn durch die Lasererhitzung und die Kristallisation im Material kann man den Brechungsindex und damit die optischen Eigenschaften eines Materials verändern. Der grosse Vorteil des Laserglühens: Bei der verwendeten Apparatur handelt es sich um ein kommerzielles Gerät, das weltweit in vielen Labors bereits vorhanden ist. Es braucht dafür weder ein Vakuum noch andere spezielle Bedingungen. Damit kann man zudem in Sekundenschnelle erreichen, wofür es in einem Ofen Stunden benötigt. «Die grosse Stärke dieser Technik ist, dass sie günstig, schnell und gut verfügbar ist», fasst Hrabec zusammen.

Text: Barbara Vonarburg

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Zukunftstechnologien, Energie und Klima, Health Innovation und Grundlagen der Natur. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2300 Mitarbeitende und ist damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 450 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.

Kontakt

Dr. Aleš Hrabec
PSI Center for Neutron and Muon Sciences
Paul Scherrer Institut PSI

+41 56 310 21 20
ales.hrabec@psi.ch
[Englisch]

Dr. Lauren Riddiford
PSI Center for Neutron and Muon Sciences
Paul Scherrer Institut PSI

+41 56 310 33 38
lauren.riddiford@psi.ch
[Englisch]

Originalveröffentlichung

Two-dimensional gradients in magnetic properties created with direct-write laser annealing
Lauren J. Riddiford, Jeffrey A. Brock, Katarzyna Murawska, Jacob Wisser, Xiaochun Huang, Nick A. Shepelin, Hans T. Nembach, Ales Hrabec, and Laura J. Heyderman
Nature, 09.12.2025
DOI: 10.1038/s41467-025-65921-7